Brief der Gisela Ritter (geb. Györög) an ihren noch nicht aus dem Krieg heimgekehrten Mann Julius Ritter zu Weihnachten 1945 (OW Nr. 80, heute Buchengasse 9) - Groll/Muralter

Brief der Gisela Ritter (geb. Györög) an ihren noch nicht aus dem Krieg heimgekehrten Mann Julius Ritter zu Weihnachten 1945 (OW Nr. 80, heute Buchengasse 9) - Groll/Muralter

Frau Ritter musste die Kriegswirren des II. Weltkriegs - alleine mit ihren 4 Kindern - meistern und schrieb zu Weihnachten 1945 in ungarischer Sprache folgenden Brief an ihren noch nicht heimgekehrten Mann. Hier die Übersetzung aus der man die Sorge, das Leid und die Armut dieser Zeit sehr ungeschminkt herauslesen kann: Lieber Gyula! Meine Zeilen mögen dich in bester Gesundheit erreichen. Uns geht es Gott sei Dank gut, was wir auch dir von Herzen wünschen. – Lieber Gyula, seit ich deine Karte erhalten habe, habe ich dir schon ein paar Mal geschrieben, aber ich glaube, dass du nichts bekommen hast. Es wäre auch kein Wunder in dieser heutigen Situation, es verkehren ja auch die Züge noch nicht normal, aber auch dies wird mit der Zeit in Ordnung kommen, auch vieles andere. Wir freuen uns, dass du lebst und gesund bist. Das Übrige wird sich langsam ordnen.- Ja, jetzt ist es so, wie du immer gesagt hast, wir müssen das ausbaden, was die Nazis angerichtet haben. Sie sind alle, nachdem die Luft für sie nicht mehr rein war, geflohen und sind irgendwo bei den Engländern, aber dort ist ihr Leben auch nicht sicher. Nur der Portschy wurde schon festgenommen. Der Groll und der Muralter haben viele Oberwarter auf dem Gewissen, die bei Buchschachen nicht mehr weiterkämpfen wollten. Unter ihnen war auch der arme Böcskör Bacsi. Die Oberwarter würden die Beiden gerne zu Gesicht bekommen, denn sie würden sie dann erschlagen, da jetzt wegen diesen Beiden viele Unschuldige leiden müssen. Du musstest auch nur einrücken, weil du nicht nach ihrem Sinn gehandelt hast. – Lieber Gyula! Heute ist der 2. Weihnachtstag (Anm.: 1945), ich habe den Kindern immer gesagt, dass das Christkind den Papa nach Hause bringen wird. Aber wahrlich vergebens erwarteten wir die große Freude, es wurde nichts daraus. Der kleine Pisti (Anm.: Er war 1942 geboren worden und hatte seinen Vater noch nie gesehen.) sagte gestern, dass es dem kleinen Christkind wohl zu schwergefallen sei, und dass halt das große Christkind den Papa erst bringen wird, wenn es wärmer wird. Wahrscheinlich bringt dann der Osterhase den Papa nach Hause. – Lieber Gyula, ich glaube, dies war unsere schwerste Weihnachtszeit, seit wir beisammen sind, und hoffentlich auch die letzte in dieser Art. Vielleicht wird sich unsere Situation ja bessern. Zu essen hatten wir zu den Feiertagen Gott sein Dank genug, denn die Armen haben von der Gemeinde etwas Mehl, Bohnen, Maisgries, etwas Schmalz und ein paar Kleidungsstücke bekommen. Einige haben auch etwas Geld vom Oberamtmann bekommen, ich 65,- Schilling, und auch von unserem Pfarrer wurde ich mit 100,- Schilling unterstützt. Auf Marken konnten wir 1/2 kg Schmalz, 10 dag Zucker, ¼ kg Fleisch, 1 ½ kg Mehl, 12 dag Butter und 10 dag Salz beziehen. Das war ein schöner Zug von der Roten Armee. Wie es weitergehen wird, ist das Geheimnis der Zukunft, hoffentlich nicht schlechter, sondern besser. Jetzt schließe ich meine Zeilen. Viele Bussis für unseren lieben Papa deine Kinder Gizi, Gyula, Annemarie und Pisti und deine dich innig liebende Ehefrau Gisela

JAHR DER ENTSTEHUNG

1945

ANGABEN ZUR HERKUNFT DES BILDES

Hochgeladen von: Tillfried SCHOBER

Herkunft des Bildes: Zur Verfügung gestellt von Herrn Stefan Ritter

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